Durchgeführt wurde die Studie unter Leitung von Prof. Dr. Barbara Kavemann Soziologin am Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut zu Geschlechterfragen (SoFFI F. im SOCLES) und Mitglied der Aufarbeitungskommission. Über 600 Menschen, denen in Kindheit und Jugend sexualisierte Gewalt angetan wurde haben sich an der Studie beteiligt.
Maria Andrea Winter war Teil der Forschungsgruppe. Als Co Forschende hat sie eng mit dem Projekt Leitungs-Team zusammengearbeitete.
Die Studie hat sich damit befasst, was es bedeutet, nach sexueller Gewalt in der Kindheit selbst Kinder zu haben und elterliche Verantwortung zu tragen.
In Fragebögen, Fokusgruppen und Interviews konnten wertvolle Erkenntnisse für die Studie ermittelt werden.
Maria Andrea Winter beschreibt in der Studie in Ihrem ganz persönlichen Text, „ihre Dankbarkeit, dass dieses Projekt, an dem Sie sich gerne beteiligt hat, zustande gekommen ist“. „So durfte ich teilhaben an wertvollen Gedanken, die bestätigten, was mir immer wieder in den Begegnungen mit Betroffenen erzählt wurde. Es sind die
unterschiedlichen Erfahrungen und die Verschiedenheit, wie sie sich nach erlebter sexualisierter Gewalt als Eltern oder Nicht-Eltern ergeben können. Es gibt keine verallgemeinernde Regel, wie sich der Weg nach sexualisierter Gewalt beim Elternwerden oder Nicht-Eltern-sein entwickelt.“ …
Und doch, so merkt sie weiter an, kann ein gesellschaftliche Prozesse angestoßen werden. Prozesse, die Betroffene in ihrer Entscheidungsfindung begleiten und unterstützen und gleichzeitig Fachkräfte sensibilisieren.
„Dafür kann dieses Forschungsprojekt als Brücke zum besseren Verstehen beitragen.“
Auch für Betroffene selbst kann die Studie, so schreibt sie, eine Unterstützung sein.
Über Ihre ganz persönliche Erfahrung schreibt Sie: „Mein eigenes Mama-sein war ein Balanceakt zwischen Es-gut-machen-Wollen und den Merkwürdigkeiten im Umgang mit meinen Kindern, die ich selbst nicht verstanden habe, da ich keinen Zusammenhang herstellen konnte zu dem, wie ich war, und dem mir Angetanen aus der Kindheit.“
Die Studie geht zahlreichen Fragestellungen in Bezug auf „Elternschaft nach sexueller Gewalt in der Kindheit“ nach, dem eigenen Erleben der Elternschaft, der Beziehung zu den Kindern, den Erinnerungen an die eigene Kindheit oder der Frage, wie mit den eigenen Kindern über die eigenen Kindheitserfahrungen gesprochen werden können.
Auch das Thema der Unterstützungsbedarfe wurde untersucht.
Folgenden wichtigen Schluss zieht die Studie:
„Unsere Studie zeugt von dem Bewusstsein, dass betroffene Eltern um die Verantwortung für ihre Kinder wissen, und der Bereitschaft, diese auch zu übernehmen. Dass dies in unterschiedlichem Maße gelungen ist bzw. gelingt, macht das Spannungsfeld sichtbar, in dem sich Eltern mit dieser Biografie zurechtfinden müssen. Sie müssen bei einem begrenzten Energiehaushalt die Balance herstellen zwischen der anhaltenden Bewältigung ihrer Geschichte und den Anforderungen der Elternschaft.“
Es wird daher klar, so wird in der Studie gefolgert, dass es eine „wichtige gesellschaftliche Aufgabe ist, Betroffenen von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend Vernetzungs- und Austauschmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.“
In diesem Zusammenhang hat die Fachberatungsstelle Feuervogel die Gelegenheit ihren Stärke Elternkurs „Mein Kind lieben – Mein Kind schützen“ in der Studie vorzustellen, siehe unten. In dem Kurs erhalten Mütter, die selbst sexuelle Gewalt in der Kindheit erlebt haben, die Gelegenheit, sich mit Erziehungsthemen und den vielleicht aus ihren eigenen Erfahrungen resultierenden besonderen Fragestellungen auseinanderzusetzen und sich auszutauschen.
Unser Betroffenenbeirat engagiert sich im neu gegründeten Netzwerk.
Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend haben ein vielfältiges Erfahrungs- und Expert*innenwissen. Dieses Wissen wird bisher jedoch noch nicht ausreichend genutzt, weshalb ein Netzwerk von Betroffenen für Betroffene gegründet werden soll.
Ziel der Netzwerkgründung ist es, die Partizipation einer Vielzahl und Vielfalt von Betroffenen in politischen und institutionellen Strukturen, in Aufarbeitung und Forschung zu ermöglichen und zu stärken. Die Beteiligung von Betroffenen in allen gesellschaftlichen Bereichen trägt zu einem gesellschaftlichen Wandel und zu einer Kultur des Hinsehens und Handelns bei.
Noch bis zum 30. Juni 2023 können interessierte Betroffene sexualisierter Gewalt in
Kindheit und Jugend weiter über den Fragebogen ihre Ideen und Anregungen einbringen und so an der Gestaltung des Netzwerkes mitwirken.
Prof. Dr. Barbara Kavemann führt dazu eine Umfrage unter Betroffenen durch.
Und Sie bittet dafür um Unterstützung:
Sie wendet sich an alle Betroffenen von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend, unabhängig davon durch welche Person(en) und in welchem Kontext die sexuelle Gewalt erlebt wurde.
Der untenstehende Link führt zu einem Online-Fragebogen. Die Umfrage ist für sechs Wochen online, vom 06.02. bis 19.03.2023.
Bereits jetzt vielen Dank für die Unterstützung des Projekts.
Die Aufarbeitungskommission hat eine neue Studie „Sexuelle Gewalt in der Familie. Gesellschaftliche Aufarbeitung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche von 1945 bis in die Gegenwart“ veröffentlicht. Für die Studie wurden 870 Anhörungen und Berichte Betroffener ausgewertet und das Spezifische sexuellen Missbrauchs im Kontext Familie herausgearbeitet.
Pressemitteilung des Betroffenenrates UBSKM
vom 18.03.2022
Der Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) fordert mehr Aufmerksamkeit für die Kinder und Jugendlichen im Krieg und auf der Flucht. Über 2,5 Mio. Menschen sind seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine aus ihrer Heimat geflohen. Gegenwärtig erreichen jeden Tag etwa 10.000 Menschen den Berliner Hauptbahnhof. Ohne, dass es eine verpflichtende Registrierung gibt, werden von dort aus seit dem 07. März 2022 geflüchtete Menschen aus der Ukraine auf andere Bundesländer umverteilt. Die schnelle, unbürokratische Hilfe ist wichtig und gelebte Mitmenschlichkeit.
Betroffene und Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die über sexualisierte Gewalt in der Schule berichten wollen, können sich auf einer eigens eingerichteten Webseite über den Aufruf informieren. Dort werden auch die verschiedenen Möglichkeiten erläutert, wie sie sich der Kommission anvertrauen können.
#bebrave
About brave Movement
We are a survivor-centered movement, fighting for the right of all children and adolescents to live a life in safety and with dignity free from sexual violence.
Berlin, 31.01.2017 „Wir müssen alle wissen, was Kindern passiert und was es bedeutet, wenn Kinder von sexueller Gewalt betroffen sind“, so Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission bei der Pressekonferenz zum Hearing. „Mit dem Hearing und den vertraulichen Anhörungen geben wir Betroffenen eine Möglichkeit, dass sie gehört werden. Denn das ist das, was Betroffene bislang zu wenig erfahren haben.“
© H.C. Plambeck
MariaAndrea Winter mit Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
© H.C. Plambeck
MariaAndrea Winter
Geschichten, die zählen
1. Öffentliches Hearing "Kindesmissbrauch im familiären Kontext" am 31.Januar 2017 in Berlin mit MariaAndrea Winter als Panelteilnehmerin
Die Veranstaltung bildet den Auftakt zu einer Reihe von öffentlichen Anhörungen (Hearings) der Kommission mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Unter dem Leitsatz „Geschichten, die zählen“ werden Betroffene, aber auch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, sowie weitere Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis über Ausmaß, Art und Folgen der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche diskutieren. Ziel der Hearings ist es, den gesellschaftlichen Dialog zum Thema Kindesmissbrauch zu fördern und aus den Erkenntnissen Handlungsempfehlungen an die Politik und Gesellschaft zu formulieren. Der Blick zurück in die Vergangenheit und das Aufzeigen der Dimension der sexuellen Gewalt in der Kindheit sollen Aufklärungsarbeit leisten und damit zentrale Grundlage für einen verbesserten Schutz vor sexuellem Missbrauch bilden.
Prof. Dr. Sabine Andresen Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs |
http://ubskm-veranstaltungen.bafza.de/hearing-kindesmissbrauch-im-familiaeren-kontext/programm.html
An der jüngst von der Aufarbeitungskommission veröffentlichten Studie zu sexualisierter Gewalt an Kindern in der Familie hat sich MariaAndrea Winter beteiligt. Die Studie ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes von Wissenschaftlerinnen der Goethe-Universität Frankfurt am Main zur gesellschaftlichen Aufarbeitung dieses Tatkontextes. Aus den Befragungen der Betroffenen konnten wichtige Erkenntnisse zu dem Tatgeschehen gezogen werden.
Frau Winter engagiert sich seit Jahrzehnten in der Selbsthilfe im Landkreis Rastatt und ist seit diesem Jahr Betroffenenbeirätin im Vorstand des Vereins Feuervogel. Schon seit Jahrzehnten engagiert sie sich auch öffentlich für die Verbesserung der Situation von Betroffenen. Ihre Geschichte ist eine von 870 Berichten von Betroffenen, die in die Studie eingeflossen sind. Frau Winter erzählt ihre Geschichte, um andere Betroffene zu sagen, Du bist nicht alleine, um zu zeigen, welche lebenslangen Folgen diese Taten haben und um daraus zu lernen, wie Prävention und Hilfe wirksam werden kann. Ihr Anliegen ist auch für die Betroffenen selbst ausreichende Hilfe zu erreichen, besonders für Menschen, die jetzt im Seniorenalter sind und als Kinder oft gar keine oder nur eine unzureichende Möglichkeit der Aufarbeitung hatten.
Die Familie soll ein sicherer Ort für Kinder und Jugendliche sein und ist aber viel zu oft der Ort, wo Mädchen und Jungen jahrelange schwere Gewalt erleben mit erheblichen Konsequenzen für das weitere Leben.
In dem aktuellen Bericht von Betroffenen, ihren geschilderten Erlebnissen wird das Ausmaß der sexuellen Gewalt in der eigenen Kindheit und Jugend in Familien deutlich.
Was können wir aus dem Erfahrungswissen der Betroffenen für uns hier und heute lernen:
Eine ausreichende Stärkung der Rechte von Kindern ist das A und O, Kinder und Jugendliche sollen ihr Recht auf eine körperliche Unversehrtheit und eine gesunde unversehrte körperliche und sexuelle Entwicklung kennen. Umso wichtiger ist es, dass jedes Kind diese Rechte in Präventionsveranstaltungen kennen lernt.
Genauso wichtig ist, dass alle Eltern die Gefahren und Hinweise auf sexuelle Gewalt kennen und die Augen auch vor den Gefahren in der eigenen Familie nicht verschließen.
Hilfsquellen, die die Betroffenen der Studie damals gar nicht oder nur unzureichend hatten, müssen für jedes Kind und jede Helfer*in sichtbar und erreichbar sein. Dieses Ziel haben wir so heute auch noch nicht erreicht.
Wir sind alle gefordert, uns zu informieren, hinzuschauen und Hilfsangebot zu machen – Kinder zu schützen. Vernetzung der Helfenden ist dabei unbedingt erforderlich, da die Taten und Verdeckungen besonders in der Familie besonders komplex und schwierig zu lösen sind.
Frau Winter betont: Wenn wir über verbesserten Kinderschutz sprechen dürfen wir auch das Thema der sekundären Folgen für die Angehörigen weder ausblenden, noch verschweigen. Sekundäre Folgen können in vielfältiger Art auf Angehörige, z.B. Geschwister, später die eigenen Kinder einwirken. Die Folgen für die nachfolgenden Generationen von Betroffenen werden von Betroffenen selbst und in Fachkreisen vermehrt diskutiert. Selbst für Kinder und Kindeskinder kann sich eine Traumatisierung gravierend auswirken, ohne dass Betroffene sich immer selbst der Ursachen bewusst sind. Deshalb ist es notwendig gerade in diesem Bereich sensibel mit der Thematik umzugehen und geeignete Hilfen anzubieten, die es ermöglichen, die Zusammenhänge zu erkennen, sich selbst besser zu verstehen und die eigenen Ressourcen zu aktivieren.
Dieses Wissen um die Zusammenhänge in die Öffentlichkeit zu transportieren, ist wichtiger Baustein des Kinderschutzes für Generationen.
Und Last but not least, dürfen wir es nicht vergessen, uns um die Betroffenen zu kümmern, die heute Senior*innen sind, damals als Kind fast keine Hilfe bekamen und bis heute unter den Folgen leiden. Auch Sie brauchen die Hilfe und Unterstützung der Gesellschaft.
Im Zuge der Kampagne „Sprechen hilft!“ wurden 2010/11 über 900 Briefe und E-Mails an die damalige Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin a. D., persönlich adressiert. In dem „Auswertungsprojekt Briefe“ wurden in den vergangenen drei Jahren unter partizipativer Einbindung von Betroffenen qualitative und quantitative Auswertungsergebnisse und Schlussfolgerungen aus den Schreiben erarbeitet.